Zum 60. Geburtstag von INGENIEUR JOSIP SLISKOVIC

Am 8. Dezember 1961 vollendete ein Nestor der österreichischen Radio- und Fernsehtechnik sein 59. Lebensjahr und trat in das sechzigste ein. Den längsten Teil seines Lebens hat er seiner technischen Berufung gewidmet, nämlich der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Elektronik.

Ing. Josip S I i s k o v i c, ein geborener Kroate, wie sein großer Landsmann Nikola Tesla, studierte in Mostar am humanistischen Gymnasium. Nach Ablegung der Aufnahmeprüfungen an der Technischen Hochschule in Wien, inskribierte er zehn Semester. Nach Ablegung des Studiums ging er in die Industrie, in der er 29 Jahre lang tätig war. Seit 1955 wirkt er als technischer Konsulent für allgemeine Elektronik und ist unseren Lesern als ständiger Mitarbeiter der "Radioschau" bestens bekannt.

Noch als Student, in den Jahren 1924/25, baute er für eine österreichische Firma (TESIG) den ersten 10-Röhren­Superhet für alle Wellenlängen. 1926 bricht er mit der klassischen Bauweise der großdimensionierten Ultra-­Low-Loss-Spulen, konstruiert erstmalig Spulen kleiner Dimensionen und baut die ersten Miniatur-Drehkondensatoren mit Luft- und Festdielektrikum. Als besonderes Kuriosum sei hier noch erwähnt, daß dieselben bis vor etwa drei Jahren in praktisch kaum veränderter Form, lediglich durch zeitbedingte Materialwahl variiert, erzeugt wurden.

Im Jahre 1927 akzeptierte er ein Angebot der be­kannten Fa. KAPSCH &. SÖHNE und wurde nach kurzer ­Zeit Leiter der Radio- und Verstärkerabteilung. Diese Stelle als Chefingenieur bekleidete er auch während des Krieges.

Nach Beendigung des Krieges war viel nachzu­holen und aufzubauen. Ing. S. blieb auch weiterhin in derselben Position bis zu seinem Ausscheiden aus der Fa. KAPSCH im Juni 1954.

In die Periode 1926-1954 fallen eine Reihe von Erfindungen, Patenten und Konstruktionen, wie z. B. 1926 die Einführung des Rundfunks in den Zügen der österreichischen Bundesbahnen. Dieses System wurde später auch von den ungarischen und jugoslawischen Staatsbahnen übernommen. Eine Fülle von Problemen musste erstmalig gelöst werden, z. B. die Entstörung der elektrischen Lichtanlagen, die Schwundregelung in der Praxis usw. Das Problem der Schwundregelung wurde auch beim "Regenodyn"-Empfänger und später, 1927, beim "Polyhet"-Empfänger durch Ausnützung des quadratischen Teiles der Kennlinie des rückgekoppelten Mischaudions recht brauchbar gelöst. Gleich nach der Einführung der Schirmgitterröhren baute Ing. S. den ersten europäischen 5-Röhren-Super "2S5". Dieser Typ wurde sowohl als Bausatz für Amateure als auch als Fertiggerät mit dem ersten Miniaturspulensatz der Welt - umschaltbar für Kurz­wellen, Mittelwellen und Langwellen - in vielen tausenden von Exemplaren produziert, und die Bau­anleitung in viele europäische Sprachen übersetzt. Ing. S. führte die Fabrikation von Papierkondensatoren - nach gründlichem Studium bei HYDRA in Berlin - im Lizenzverfahren bei KAPSCH ein.

Schon im Jahre 1929 interessierte er sich sehr für das Fernsehen. Ende dieses Jahres war die erste Versuchsanlage fertig. Auf der Wiener Frühjahrs­messe 1930 konnte man seine erste Fernseh-Sende ­und Empfangsanlage auf dem KAPSCH-Stand sehen. Diese Anlage arbeitete nach dem damaligen Stand der Technik genau so wie jene in Berlin bei der Reichspost (nach Michaly) oder in London (nach Baird) mit nur 30 Zeilen und 1200 Bildelementen. Trotzdem konnte man schon damals Texte und einfache Dias sehr gut übertragen. Später übersiedelte diese Fernsehanlage in das Technische Museum der Stadt Wien, wo sie noch heute zu sehen ist.

In die Ära der wechselstrombetriebenen Geräte fallen eine Reihe gediegener Konstruktionen und Patente, wie z. B, die Brummkompensation, Spar­schaltungen usw. Als die Massenproduktion von netz­betriebenen Geräten begann, wurden schon damals die Vorläufer der heutigen gedruckten Schaltungen als sogenannte gestanzte Schaltungen eingeführt; unter gleichzeitiger Zusammenfassung aller kalten Leitungen in einer Kabelform, also aus der Praxis des Telefonbaues.

Die Vorliebe des Ing. S. zur Verkleinerung aller Einzelteile hat seinen Ursprung in seinen gründlichen Kenntnissen des Uhrmachergewerbes. Er kann als Vorkämpfer der Miniaturisierung sowohl von Einzel­teilen als auch von ganzen Geräten angesehen wer­den. Seine Arbeiten unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg führten zum Bau des ersten europäischen netzbetriebenen Kleinempfängers "Mucki" und spä­ter zum ersten europäischen tragbaren Batterieempfänger "Weekend 5", der im Laufe der nachfolgenden Jahre immer weiter verbessert wurde.

Um die ersten tragbaren Batteriegeräte bauen zu können, war es notwendig, kleine Batterien zu konstruieren. Auch dieses Problem wurde auf Initia­tive des Ing. S. in Form von Flachzellen-Anoden­batterien erstmalig in Europa gelöst. Die Flachzellen­batterien sind heute eine Selbstverständlichkeit; damals aber kostete es große Überredungskunst, den Betrieb zu veranlassen, diese neuartige Form von Batterien herzustellen,

Kurz nach den ersten Berichten über die Entdeckung des Transistors und den neuen, physikalischen Kenntnissen der Funktionsmechanik desselben konzentrierte sich Ing. S. mit der für ihn charakteristischen Vehemenz auf das Studium dieses Gebietes. Im Jahre 1947 schon schrieb er einen Artikel in der Fachzeitschrift "Die Radiotechnik" von einem geradezu prophetischen Inhalt, betitelt "An der Schwelle einer neuen Epoche". Er zeigte damals schon den Ablauf der Entwicklung der Transistorentechnik klar und richtig auf. Schon im Jahre 1948 führt Ing. S. dem Physikalischen Institut der Universität Wien die ersten und von ihm selbst gebauten Transistoren vor, brachte eine Reihe für die damalige Zeit neuer theoretischer Erkenntnisse vor und verwendete als erster den Begriff der Steilheit des Transistors. Jetzt erst war für ihn der Zeitpunkt für die eigentliche Minia­turisierung gekommen. Er baute winzige Radio­apparate in Zündholzschachtelform, in Form von Ostereiern und sogar in Gestalt eines winzigen Sputniks. Gleichzeitig warb er auch für die gedruckte Schaltung und führte diese als erster in Osterreich ein.

Obwohl Ing. S. seit 1954 nicht mehr unmittelbar in der Industrie tätig ist, beeinflusst er sie durch seine Konsultationen, Vorlesungen und Publikationen. Seine Begabung, physikalische Vorgänge verständlich zu erklären - sei es in Form von Vorträgen oder Publikationen - ist einmalig und faszinierend. Während seiner Tätigkeit bei KAPSCH wurden in seinem Laboratorium viele junge Ingenieure erzogen und ausgebildet, die heute wichtige Stellungen innehaben, so z. B. Dr, Ing. R. Oft (Südfunk Stuttgart), Dr. Ing. F. Fanta (Sao Paolo, Brasilien) und viele andere. Auch die Mehrzahl der Radiofachhändler Österreichs sind seine Schüler gewesen, denn Ing. S, hielt viele Kurse über Radiotechnik und Fernsehen. Unter seiner fachmännischen Patronanz entstand der erste in Europa gebaute volltransistorisierte Taschensuper, der ständig verbessert wurde und seit Jahren zu Tausenden auf dem europäischen Markt verkauft wird.

Seine ungeheure Vitalität und sein brennendes Interesse für alles Neue und sein guter Instinkt für das wirklich Brauchbare brachten ihn in engen Kontakt mit den prominentesten Elektronikern der Welt.

Wir wissen auch, dass sich sein ewig strebender Geist mit den Problemen des Farbfernsehens und des Fernsehens auf bio-physiologischer Basis, ohne Benützung von optischen Eindrücken durch die Augen - also mit der Schaffung eines rein persön­lichen Fernsehgerätes - befaßt, so daß selbst bei geschlossenen Augen durch direkte Impulsvermittlung im Kleinhirn ein Bildeindruck entsteht, eine Idee, die er schon vor Jahren bei einem Vortrag im Österrei­chischen Gewerbeverein aussprach.

Mögen ihm vom Schicksal noch viele Jahre beschieden sein, um alle diese faszinierenden Projekte zu verwirklichen. In diesem Sinne übermitteln wir Herrn Ing. J. Sliskovic unsere herzlichsten Glückwünsche zu seinem 60. Lebensjahr.

Quelle: Radioschau 1962 H12

Ing. Josip Sliskovic verstarb am 26. Juni 1984